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Das ökologische Gedächtnis

Buchtipp

Das ökologische Gedächtnis
Tschernobyl
Das Atomkraftwerk von Tschernobyl (Foto: bptu/Fotolia.de)
Ein Buch, das die reizvolle Chance bietet, historische Kontinuitäten und Brüche kollektiver Wahrnehmung kritisch zu hinterfragen

Umweltkatastrophen brennen sich in unsere Köpfe. Tschernobyl, Sandoz und Exxon Valdez sind nur einige der Ereignisse, die bis heute nachwirken wie Mahnmale für die Nachlebenden. Sie rufen ins Gedächtnis, dass eine Wiederholung um jeden Preis zu vermeiden ist. Man erinnert sich, Jahrestag um Jahrestag, um die Lehren der Geschichte wach zu halten. Die Erinnerung wird monumentalisiert und darf nicht verändert werden. Horrorszenarien als Erzählmuster der ökologischen Erinnerungskultur – eine Eigenheit der (deutschen) Umweltbewegung?

Das Projekt „Umwelt und Erinnerung“ am Rachel Carson Center in München möchte mit dieser kanonischen Lesart ökologischer Erinnerungskultur brechen. Projektleiter und Herausgeber Frank Uekötter geht im Vorwort des Buchs sogar noch einen Schritt weiter. Generell könne man, so schreibt er, „durchaus von einer Angst der Umweltszene vor der eigenen Geschichte“ sprechen, die Erinnerung geradezu zu einem Tabuthema mache. Diese Haltung sieht er im Wechsel der politischen Einfärbung begründet, die sich in der deutschen Umweltbewegung um 1970 vollzog.

Höchste Zeit für eine Geschichte der Umwelterinnerung

Nachdem das Thema Natur und Heimat eher im konservativen Spektrum Rückhalt gefunden hatte, avancierte dann der Natur- und Umweltschutz zum populärsten Anliegen der politischen Linken. Doch auch bei Umweltthemen, so Uekötter, leben wir inzwischen in einer erinnerungsgesättigten Gesellschaft. Höchste Zeit also, für eine noch zu schreibende Geschichte der Umwelterinnerung. Der Band will jedoch nur „eine Art Zwischenbericht“ sein, der das Spektrum der Möglichkeiten abschreitet, die Erinnerungsorte bei Umweltthemen eröffnen.

Die Theorie der Erinnerungsorte ist keineswegs neu. Sie geht auf den französischen Historiker Pierre Nora zurück: An den „lieux de mémoire“ kristallisiere sich das kollektive Gedächtnis einer sozialen Gruppe (für Nora die französische Nation) und präge die jeweilige Erinnerungskultur. Dabei ist der Begriff „Ort“ im übertragenen Sinn gemeint als: Diskurse, Personen, Werke oder geografisch fassbare Räume.

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Öko-Ereignisse, die Erinnerungen wachrufen

Warum entstehen ökologische Erinnerungen? Und wie verändern sie sich im Laufe der Zeit? Mit Hilfe seiner Studenten und externer Partner sucht Frank Uekötter Antworten auf diese Fragen. In elf verständlich geschriebenen Aufsätzen beleuchten die Autoren ausgewählte Orte im Hinblick auf ihre erinnerungskulturelle Bedeutung für heutige Umweltdebatten. Tschernobyl, Sebastian Kneipp, der Wintersport im deutschsprachigen Europa, das Reichnaturschutzgesetz oder der Grzimek-Film „Serengeti darf nicht sterben“ – eine bunte Palette von Ereignissen, die sich unter dem wenig scharfen Terminus Ökologie subsumieren lassen und mehr oder weniger Erinnerungen hervorrufen.

Die beliebig wirkende Auswahl ist gerade die Stärke des Buches; die Vielfalt liefert reichlich Experimentierfläche. So lassen sich die Möglichkeiten des für die Umweltgeschichte neuen Konzepts ausloten. Es bietet die reizvolle Chance, historische Kontinuitäten und Brüche kollektiver Wahrnehmung kritisch zu hinterfragen.

 

Cover.jpg

 

Frank Uekötter (Hg.): Ökologische Erinnerungsorte. Vadenhoeck & Ruprecht. 334 Seiten, 23,99 €

Cover: PR

© natur.de – Tania Greiner
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